Batagai-Permafrost-Abbruch in Sibirien. Forschende haben den Permafrost in 50 Metern Tiefe jetzt auf ein Alter von 650.000 Jahre datiert - er ist damit der der älteste jemals in Eurasien nachgewiesene Permafrostboden. (Foto: Thomas Opel)
Batagai--Abbruch in Sibirien. Forschende haben den Permafrost in 50 Metern Tiefe jetzt auf ein Alter von 650.000 Jahre datiert – er ist damit der der älteste jemals in Eurasien nachgewiesene Permafrostboden. (Foto: Thomas Opel)

Wie verändert der Klimawandel die dauerhaft gefrorenen Böden der ? Welche Folgen hat das für das Weltklima, für Menschen und Ökosysteme? Und was lässt sich dagegen tun? Im Fachjournal Frontiers in Environmental Science fasst ein Team von Fachleuten um Jens Strauss vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam und Benjamin Abbott von der Brigham Young University in den USA das bisherige Wissen zu diesen Fragen zusammen. Zudem hat das AWI unter Leitung von Moritz Langer eine interaktive Karte zur Vergangenheit und Zukunft des Permafrosts entwickelt. Beide Veröffentlichungen kommen zum gleichen Ergebnis: Um gefährliche Entwicklungen in diesen Regionen zu stoppen, müsse die Emission von Treibhausgasen in den nächsten Jahren massiv reduziert werden.

Auf immerhin zehn Prozent der Erdoberfläche beherrscht der Dauerfrost den Untergrund. Vor allem auf der Nordhalbkugel gibt es riesige Gebiete, in denen nur die obersten Zentimeter des Bodens im Sommer auftauen. Der Rest bleibt bis in mehrere hundert Meter Tiefe das ganze Jahr hindurch gefroren. Bisher zumindest. „Der Klimawandel ist für diese Permafrost-Regionen eine ernsthafte Gefahr“, sagt Jens Strauss vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Denn die Temperaturen der Landoberfläche haben in diesen Gebieten zwei- bis viermal schneller zugenommen als im weltweiten Durchschnitt. Sowohl an Land als auch im Meer verändern sich die Verhältnisse dadurch deutlich schneller als erwartet. Und das kann eine ganze Reihe von riskanten Folgen haben – für das , für die biologische Vielfalt und für den Menschen.

So sind in diesen Kühltruhen der Erde die Überreste von zahllosen längst verstorbenen Pflanzen und Tieren eingefroren. Wenn dieses Material auftaut, beginnen Mikroorganismen mit seiner Zersetzung. Dabei wandeln sie die darin enthaltenen Kohlenstoffverbindungen in Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) um, die dann die globale Erwärmung weiter ankurbeln könnten.

Wann und in welchem Umfang das passieren wird, ist allerdings schwer zu prognostizieren. „Darüber geistern ganz unterschiedliche Vorstellungen durch die Öffentlichkeit“, sagt Jens Strauss. Für die einen sind die Permafrost-Regionen eine tickende Klima-Zeitbombe, die der Menschheit demnächst um die Ohren fliegen wird. Andere gehen davon aus, dass der hohe Norden in absehbarer Zeit kaum nennenswerte Mengen an Treibhausgasen freisetzen wird.

„Beides stimmt nicht“, betont der Potsdamer Forscher. „Wir müssen zwar nicht damit rechnen, dass der Permafrost in ein paar Jahren riesige Mengen Treibhausgase auf einmal in die Atmosphäre spuckt und das Klima damit unweigerlich zum Kippen bringt.“ Verharmlosung sei aber auch nicht angebracht. „Immerhin setzen die Permafrost-Regionen heute schon Treibhausgase in einem Umfang frei, der nahezu den jährlichen von Deutschland entspricht.“ Und wissenschaftlichen Schätzungen zufolge könnten aus ihren Böden in den nächsten beiden Jahrhunderten Gasmengen in die Atmosphäre strömen, die so wirksam sind wie etliche hundert Milliarden Tonnen CO2.

Dazu kommt, dass die Oberfläche der Permafrost-Regionen wegen der schwindenden Eis- und Schneedecken immer dunkler wird – und sich so durch die Sonneneinstrahlung stärker erwärmt, als es bei den weißen Landschaften früherer Zeiten der Fall war. Diese beiden Effekte zusammen gehören nach heutigen Erkenntnissen zu den wichtigsten Einflüssen, die das Klima der Erde verändern können.

Verlust von Permafrostböden bedroht Lebensräume – es ist Zeit zu handeln
Zudem liegen in den Permafrost-Regionen mehr als die Hälfte der Wildnisgebiete, die es auf der Erde überhaupt noch gibt. Dort leben speziell angepasste Tier- und Pflanzenarten, die auf den Fortbestand dieser Ökosysteme angewiesen sind. Und auch für die Millionen von Menschen, die in der Arktis leben, bringt das Tauen des Dauerfrostbodens Probleme mit sich. So wird dieser oft instabil, wenn sein Zement aus Eis verschwindet. Dann sackt er plötzlich zusammen oder wird vom Meer erodiert, was zu teuren Schäden an Gebäuden, Straßen und anderer Infrastruktur führen kann. Es werden dabei auch Schadstoffe wie Quecksilber freigesetzt, die sich in hohen Konzentrationen in Tieren und Menschen der Arktis nachweisen lassen.

Für einige Gemeinschaften im hohen Norden hängt sogar die gesamte Lebensweise und Kultur von den gefrorenen Ökosystemen ab. „Diese Menschen haben nur sehr wenig zum Klimawandel beigetragen, sind aber besonders stark davon betroffen“, sagt Jens Strauss. Maßnahmen zum Schutz des Permafrosts zu ergreifen, ist für die Autorinnen und Autoren der Studie daher auch eine Frage der Gerechtigkeit.

Viel mehr wird das Schicksal des Permafrosts wohl davon abhängen, welche Entscheidungen die Politik in den nächsten zehn Jahren bezüglich der Treibhausgas-Emissionen trifft. Angesichts der rasanten Fortschritte im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es nach Einschätzung der Fachleute durchaus realistische Möglichkeiten, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 ganz zu stoppen. Zudem müsse die lokale Bevölkerung dabei unterstützt werden, intakte Ökosysteme in den Permafrost-Regionen zu schützen. „Wir können durchaus noch etwas tun“, betont Jens Strauss. „Für Resignation haben wir keine Zeit.“

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