Überall die gleichen Arten – Intensive Landwirtschaft macht Landschaften monotoner

„Nature“-Studie belegt Vereinheitlichung der Artengemeinschaften

Wo Menschen die Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden intensivieren, nimmt nicht nur die ab, sondern auch die Landschaft wird eintöniger, und schließlich bleiben überall die gleichen Arten übrig. Diese großflächige Homogenisierung hat ein Forschungsteam in einer groß angelegten Studie nachgewiesen. Die Wissenschaftler haben sich 150 Wiesen und Weiden in Deutschland angesehen und dabei mehr als 4.000 Tier-, Pflanzen- und Mikroben-Arten untersucht. Unter den Autoren sind sechs Mitglieder des Forschungszentrums iDiv (Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig).

Interaktion zwischen einer Pflanze (Kriechender Hauhechel, Ononis repens) und einer Weichwanze (Macrotylus paykulli). Der Kriechende Hauhechel ist eine Wirtspflanze der Weichwanze, die seinen Pflanzensaft aussaugt oder gelegentlich auch Insekten, die an den Drüsenhaaren des Hauhechels kleben. Bei Intensivierung der Grünlandnutzung verschwinden beide. © Ekkehard Wachmann

Wenig bewirtschaftete Wiesen sind artenreiche Lebensräume, in denen eine Vielzahl an Pflanzen und Tieren lebt. Auf Wiesen, die vom Menschen intensiv genutzt werden, ist die Artenvielfalt jedoch deutlich geringer. Gründe sind vor allem, dass durch Düngung dem Boden viele Nährstoffe zugeführt werden sowie das häufige Mähen, wodurch viele Pflanzen und Tiere verdrängt werden. Dass eine intensive Landnutzung die Artenvielfalt an Ort und Stelle verringert, ist bekannt. Die neuen Ergebnisse zeigen aber, dass der lokale Artenverlust einen viel weitreichenderen Effekt nach sich zieht, da auch die über große Landschaftsgebiete hinweg, die sogenannte Beta-Diversität, abnimmt. Dies wurde nun erstmals in einer derart groß angelegten Studie belegt und im renommierten Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.

Starke, negative Effekte bereits bei moderater Bewirtschaftung
„Überraschend war, dass der Effekt der Homogenisierung der Artengemeinschaften nicht etwa erst bei sehr intensiver, sondern bereits bei moderater Bewirtschaftung auftrat“, erklärt Dr. Oliver Purschke, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei iDiv und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und einer der Studienautoren. „Eine weitere Intensivierung hatte dann keinen starken Effekt mehr. Der Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität und Angleichung der Artgemeinschaften ist also nicht-linear“, so der Wissenschaftler. Zu dieser Erkenntnis gelangten die Forscher mittels einer komplexen Analyse, bei der sie eine erst kürzlich entwickelte statistische Methode anwandten.

Daten aus dem gesamten Nahrungsnetz
„Das Besondere an der Studie ist, dass wir viele verschiedene Organismen mit einbezogen haben, sowohl ober- als auch unterirdisch lebende“, sagt Dr. Tesfaye Wubet, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und ein Mitglied von iDiv. „Auf diese Weise konnten wir alle Ebenen des Wiesen-Nahrungsnetzes abbilden.“ Im oberirdischen Teil des Ökosystems Wiese spielen zum Beispiel Pflanzen, Insekten und Vögel eine wichtige Rolle, unter der Erde Bakterien, Pilze, Tausendfüßler und so genannte Mykorrhiza-Pilze, die in Symbiose mit Pflanzenwurzeln leben.

Der große Datensatz stammt aus den „Biodiversitäts-Exploratorien“. In diesem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt werden in drei Regionen in Deutschland Studien zum Zusammenhang zwischen Biodiversität und Landnutzung durchgeführt. Es handelt sich um einen der umfassendsten ökologischen Freilandversuche in Europa.

Abkopplung der ober- und unterirdischen Artengemeinschaften

Einer der Initiatoren der „Biodiversitäts-Exploratorien“ ist Prof. Dr. François Buscot vom UFZ, der gleichzeitig einer der vier Direktoren von iDiv ist. Der Experte für Bodenlebewesen war von einem Ergebnis der Auswertung besonders überrascht: „Dass bei einer Intensivierung der Bewirtschaftung die Vielfalt der Pflanzenarten im Grasland zurückgeht, war zu erwarten. Nicht erwartet hätten wir aber, dass parallel dazu die Vielfalt der Bodenmikroorganismen steigt.“ Dies sei nicht etwa eine gute Nachricht, erläutert der Wissenschaftler. Denn der Befund würde auf eine Abkopplung der ober- und unterirdischen Artengemeinschaften hinweisen. „Dies bedeutet, dass das gesamte Ökosystem schon durch eine leichte Intensivierung der Nutzung schnell an Mechanismen zur Selbstregulation verliert“, so Buscot. Die Studienergebnisse machen somit deutlich, wie wichtig es ist, extensiv bewirtschaftete Graslandschaften zu erhalten und zu schützen.
Tabea Turrini (iDiv) / Sabine Letz (TUM)

[DE] 30. November 2016 – Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
www.idiv.de